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13 April 2008
  /** interview mit ex-bverfg-richter hoffmann-riem **/
auch wenn ich nicht in allen punkten 100%-ig mit hoffmann-riem uebereinstimmen wuerde, man hat das gefuehl der mann weiss wovon er spricht und er bringt das auf einer sachlichen ebene rueber. in dem doch etwas laengeren interview geht es hauptsaechlich um die medienlandschaft (speziell den oeffentlich-rechtlichen rundfunk) und den komplex von freiheit und sicherheit. die laenge kommt dem interview durchaus zugute, weil auch hin und wieder etwas spezifischer auf die themen eingegangen werden kann. und ausserdem, der mann war bundesverfassungsrichter und hat einige wichtige urteile (mit)bestimmt - allein deswegen sollte man sich das durchlesen:

SZ: … wie die Online-Durchsuchung oder der Große Lauschangriff.

Hoffmann-Riem: Beide wurden als Wunderwaffen angepriesen, ohne die die innere Sicherheit nicht mehr zu gewährleisten sei. Wenn aber nach Nachweisen ihrer Unverzichtbarheit gefragt wird, kommt entweder fast gar nichts oder es folgen Beschwörungsformeln. Es gab ja beispielsweise schon ein paar Online-Durchsuchungen, deren Auswertung ich bei unserer Entscheidung gern gekannt hätte. Aber in der mündlichen Verhandlung vor unserem Gericht hatten die höchsten Beamten gerade dafür keine Aussagegenehmigung. Warum hat man nicht versucht, jedenfalls auf einer mittleren Abstraktionsebene, also ohne Details, plausibel zu machen, dass diese Online-Durchsuchungen unverzichtbar waren und inwieweit sie Informationen gebracht haben, die sonst nicht möglich gewesen wären? Oder nehmen Sie die Rasterfahndungen nach dem 11. September 2001...

SZ: ... die sie im März 2006 stark eingeschränkt haben.

Hoffmann-Riem: Die seinerzeitige Rasterfahndung hat die erwünschten Erfolge, das Aufspüren sogenannter Schläfer, nicht gebracht, wohl aber Nebenfunde, wie etwa das Aufspüren von Drogendealern. Das reicht zur Legitimation einer solchen umfassenden Informationserhebung mit stigmatisierenden Wirkungen für ganze Bevölkerungsteile nicht. Wie haben die Rasterfahndung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber eine konkrete Gefahrenlage verlangt. Eine allgemeine, etwa die seit 2001 bestehende Bedrohungslage reicht hierfür aber nicht aus.
[...]
SZ: Nach dem 11. September 2001 haben Sie beklagt, dass die Balance zwischen Freiheit, Gleichheit und Sicherheit gestört sei. Sehen Sie dies auch heute so?

Hoffmann-Riem: Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist weiterhin nicht gewahrt. Daran konnte auch das Bundesverfassungsgericht mit seinen punktuellen Entscheidungen zu bestimmten Gesetzen nichts ändern. Ich teile zwar den Satz, dass einem ohne Sicherheit die Freiheit nichts nützt und dass ohne Freiheit die Sicherheit das Merkmal eines nicht lebenswerten Staates ist. Ich sehe zu viele Eingriffe zu Lasten der Freiheit auf der Basis ungesicherter Behauptungen und unter Berufung auf punktuelle Erfolgsmeldungen und immer wieder nur durch den allgemeinen Hinweis auf eine angespannte Sicherheitslage ...

SZ: ... insbesondere durch Terrorismus.

Hoffmann-Riem: Es gibt meistens sehr diffuse, nicht nachprüfbare Aussagen des Innenministers oder seiner hohen Behörden. Wir können nicht prüfen, ob diese Hinweise die Folgerungen rechtfertigen. Eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit setzt aber voraus, dass man rational zu einer Abwägung kommt. Man müsste also sowohl die Gefahrenlage als auch die Tauglichkeit der Instrumente genau besehen.
[...]
SZ: Vermissen Sie immer noch einen gesellschaftlichen Diskurs über Risiken?

Hoffmann-Riem: Ja. Seit dem 11. September haben wir die Frage nicht beantwortet: Welche Risiken und Restrisiken wollen wir uns leisten? Die Zahl der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland ist weit größer als die Zahl der Terrorismusopfer in Europa in den letzten zehn Jahren. Das Restrisiko Straßenverkehr haben wir gleichwohl akzeptiert.

SZ: Auch Sie?

Hoffmann-Riem: Ja. Um unserer Fortbewegungsfreiheit willen nehmen wir bestimmte Risiken in Kauf. Wir versuchen uns dagegen durch Airbags und Anderes zu schützen, riskieren es aber beispielsweise nicht, kontinuierliche Überprüfungen der Fahrtauglichkeit vorzunehmen. Das Restrisiko bleibt also immer noch sehr groß. Hier gibt es keinen öffentlichen Aufschrei. Welchen Grad an Restrisiko wir uns im Hinblick auf die Sicherheit vor terroristischen Anschlägen erlauben wollen, um noch politisch frei und ohne übermäßige Überwachung durchatmen zu können - das haben wir noch nicht ausgiebig diskutiert.
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